2023 02 18bz1Die Sehnsucht nach den eigenen vier Wänden ist ungebrochen. In der komplizierten Gemengelage von hoher Inflation, steigenden Zinsen sowie teurem Material und Lieferschwierigkeiten am Bau, deutet einiges darauf hin, dass weniger Menschen, sich den Traum vom Neubau oder Hauskauf erfüllen können. Was ist noch möglich, wer traut sich noch das Projekt Hausbau in Angriff zu nehmen und was sagen die Banken zur Situation im Landkreis?

Neben ernüchternden Zahlen und Fakten, die die Geldinstitute auf Nachfrage beigesteuert haben, haben wir für das Pulsfühlen in den Baugruben im Landkreis das Baugebiet Heidkamp in Wasbüttel herausgepickt. Dessen Geschichte bis zum Tag, als die erste Bodenlatte gegossen wurde, gleicht einer jahrelangen Achterbahnfahrt, bei der viel Geld verbrannt wurde und Bauträume auf der Strecke geblieben sind.

Eine private Klage machte die Pläne vieler Bauherren zunichte

Im Vergabeverfahren 2018 lag der durchschnittliche Verkaufspreis für seinerzeit 42 Grundstücke bei 115 Euro pro Quadratmeter. Aufgrund der privaten Klage wurden der B-Plan außer Vollzug gesetzt, die Erschließung gestoppt und Reservierungen rückgängig gemacht. Das Verfahren zog sich wie Kaugummi. Es vergingen drei Jahre bis der überarbeitete B-Plan rechtskräftig wurde. Um den von Gericht geforderten Abstand zum Wald einzuhalten, fielen fünf Grundstücke weg und erhebliche Mehrkosten für neue Vermessung und Erschließung an. Der neue Verkaufspreis stieg um 57 Euro auf durchschnittlich 172 Euro pro Quadratmeter. Statt 69 000 Euro vor vier Jahren müssen Bauwillige für eine 600 Quadratmeter große Parzelle heute rund 103000 Euro zahlen.

Sinkende Bewerberzahlen und zahlreiche Rücktritte

Statt 330 Bewerbern im Jahr 2018 hatte die Samtgemeinde Isenbüttel es 2022 nur noch mit 204 Bauplatz- Aspiranten zu tun. Für die Vergabe mussten beinahe doppelt so viele Bewerber kontaktiert werden wie Grundstücke vorhanden waren. Auch unter denjenigen, die bereits eine Parzelle reserviert hatten, gab es 12 Rücktritte. „Größtenteils wurde das mit den gestiegenen Zinsen und Baukosten begründet“, sagte Samtgemeindebürgermeister Jannis Gaus.

Mittlerweile wird im Heidkamp tatsächlich gebaut. Zu den ersten Bauherren zählt Lennart Knospe. Als der 26-Jährige gemeinsam mit seiner Freundin im Juni 2022 den Zuschlag für das Grundstück bekam, waren die Zinsen bereits am Steigen und es blieb kaum Zeit zum Überlegen. „Man hatte das Gefühl, das die Banken auf Zeit spielen.“ Mittlerweile sind die Zinsen um weitere 2 Prozent gestiegen. „Mit den heutigen Konditionen wäre der Hausbau für uns nicht mehr zu stemmen.“

Um Geld zu sparen, vergibt Knospe alle Gewerke einzeln, setzt auf viel Eigenleistung und hat frühzeitig Material gekauft. „Zum Jahreswechsel ist Beton um 20 Prozent teurer geworden und Steine um 18 Prozent.“

Das Paar will spätestens zu Weihnachten 2024 einziehen. „Wir haben keinen Zeitdruck, weil wir während der Bauzeit bei meiner Oma wohnen.“

Wer kann sich aktuell noch einen Neubau leisten?

Die Sparkasse Gifhorn-Wolfsburg-Celle beziffert den Kaufpreis für ein neuwertiges Einfamilienhaus in Gifhorn auf etwa 450.000 Euro. Bei Kauf oder Neubau werden durchschnittlich 300.000 Euro finanziert. Die Zinsen sind binnen Jahresfrist um 3 Prozent gestiegen. Bei einer Finanzierungssumme von 400.000 Euro entspricht das einer Mehrbelastung von circa 800 Euro monatlich.

Mit ähnlichen Zahlen operiert die Volksbank Brawo: Kunden, die bei zehnjähriger Zinsbindung vor einem guten Jahr noch zu einem Zins von rund einem Prozent abschließen konnten, haben jetzt Zinssätze von 3,5 Prozent aufwärts vor der Brust. Geht man von gleichen Parametern aus, hat sich die monatliche Belastung für den Kunden um fast 50 Prozent erhöht. Laut Volksbank sind bei einer Finanzierungssumme von 400.000 EUR und einer Laufzeit von 30 Jahren beispielsweise aus 1300 EUR monatlicher Rate derzeit rund 1800 EUR geworden.

Sinkende Nachfrage nach Eigenheimen

Bei der Sparkasse geht man von leicht steigenden Zinsen aus. Zudem sieht man eine sinkende Nachfrage nach Eigenheimen und Kunden, die die Entwicklungen abwarten wollen. Die Volksbank beobachtet bei Gebrauchtimmobilien leicht sinkende Angebotspreise.

Trotz der Unwägbarkeiten sind vielerorts neue Baugebiete geplant. Zum Beispiel in der Gemeinde Meine, die Bauland in Wedelheine in Aussicht gestellt hat. Oder in Rötgesbüttel, wo sich das Baugebiet Südfeld II in der Planung befindet.

Aus der Gifhorner Rundschau vom 18.02.2023, Foto: Manfred Altenkirch