Zwei Frauen, die sich für eine Sache stark machen: Helena Kröger (41) aus Wasbüttel koordiniert im Landkreis Gifhorn die  Aktionen des niedersächsischen Volksbegehrens für gute Schulen, Andrea Hack (41) aus Jelpke sammelt fleißig  Unterschriften. AZ-Redakteur Bastian Till Nowak sprach mit beiden Frauen über die Motivation für ihr Engagement.

 

AZ: Der Gifhorner Kreiselternrat unterstützt das Volksbegehren nicht – sie machen sich trotzdem dafür stark. Warum?
Kröger: Unsere Mitbürger können sich nur demokratisch äußern, wenn sie ausreichend informiert sind. Und das haben wir nun eben selbst in die Hand genommen.

AZ: Was stört Sie denn überhaupt?
Kröger: Unsere Kinder sind gestresst. Wegen des Abiturs nach zwölf Jahren fehlt ihnen einfach die Zeit zum Lernen.

Hack: Durch diesen Lernstress bleiben Spielen, Vereine und ehrenamtliches Engagement auf der Strecke – und die soziale Kompetenz leidet ebenfalls.

AZ: Sie beide haben nicht nur Kinder an weiterführenden Schulen, sondern auch an den Grundschulen in Calberlah und Wasbüttel. Sehen Sie dort auch Missstände?
Hack: Der Stress wird nicht erst ab Klasse fünf immer mehr. Für den Schulwechsel wird schon erheblich mehr gefordert. Schließlich wurde der Lernstoff aus 13 Jahren einfach in zwölf Jahre gepackt.
Kröger: Selbst manche Lehrer haben mir schon im Vertrauen gesagt, dass die Belastung für die Kinder zu hoch ist.

AZ: Was müsste passieren?
Hack: Auf jeden Fall muss das Turbo-Abi nach zwölf Jahren wieder weg.
Kröger: Und mehr Lehrer brauchen wir sowieso. Ohne die Hilfe von uns Eltern wären die Schulen schon längst bei Nachmittagsbetreuung, Hausaufgabenhilfe und Arbeitsgemeinschaften aufgeschmissen.

AZ: All das würde doch enorme Kosten verursachen? Wie wollen Sie die Politiker für ihre Sache gewinnen?
Kröger: Wir brauchen einfach genug Unterschriften für unser Volksbegehren, dann bleibt der Politik nichts anderes mehr übrig.

Infos

„Schulen sollen wieder Orte werden, an denen unsere Kinder gerne lernen!“ Das sagen die Initiatoren des Volksbegehrens  für gute Schulen – dahinter stecken mehrere Forderungen:

  • Gymnasien und Gesamtschulen sollen wieder zur Regelschulzeit von 13 Jahren bis zum Abitur zurück. Die Schüler sollen  mehr Zeit zum Lernen haben, ihre Neigungen entdecken und soziales Engagement entwickeln.
  • Neue Gesamtschulen sollen schon mit vier, in Ausnahmefällen auch mit drei Klassen pro Jahrgang gegründet werden  dürfen. Elternbefragungen in vielen Gemeinden hätten belegt, dass mehr Gesamtschulen gefordert sind.
  • Die vollen Halbtagsschulen sollen erhalten bleiben. Sie haben mehr Lehrer als andere Schulen und sollen als  Pilotschulen für die künftige Gestaltung von Grund- und Förderschulen dienen.
  • Damit das Volksbegehren erfolgreich ist, müssen 608.731 Niedersachsen unterschreiben – ein Zehntel der wahlberechtigten Bürger. Die Frist läuft bis Mitte Januar. Knapp 120.000 Leute haben bereits unterschrieben.
  • Die Initiatoren des Volksbegehrens haben einen Gesetzesentwurf ausgearbeitet. Spricht sich der Landtag nach einem  erfolgreichen Volksbegehren dagegen aus, kommt es zu einem Volksentscheid – dann können die Bürger in der  Wahlkabine abstimmen.
  • Weitere Informationen zum Volksbegehren gibt es unter www.volksbegehrenschulen.de im Internet.

Aus der Allerzeitung vom 09.07.2010 / AZ Seite 9, Foto: Nowak