Das war im Jahr 2003 im ganzen Kreis Gifhorn einmalig, was Lehrerin Silke Zieske in der Grundschule Wasbüttel auf die Beine gestellt hatte: Dort gründete sie eine der vier ersten Chorklassen in ganz Niedersachsen – die anderen drei waren in Hannover. 20 Jahre lang hat die Pädagogin Schülern spielerisch und professionell das Singen beigebracht – und andere Lehrer der Landesmusikakademie ebenfalls zu Chorklassenleiterinnen und -leitern ausgebildet.


Angefangen hatte alles damit, dass die Wasbüttelerin in den 1990er-Jahren mal eine musikpädagogische Werkstatt geleitet hat. „Dort bin ich von Franz Riemer angesprochen worden“ – Professor an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover, der die Idee der Chorklassen beim Kultusministerium ins Gespräch brachte. Zusammen mit den Lehrerinnen Petra Jacobsen und Silja Stegemeier entwarf Zieske ein Konzept, das auch in mehreren gemeinsamen Büchern mündete. „Eigentlich war zuerst der Gedanke, die Klassen in Gymnasien zu rekrutieren“, so Zieske, „aber die Kinder dort sind schon zu sehr gebunden. Deshalb hatten wir die Idee, viel früher zu beginnen: in den Grundschulen.“
Es habe sich eine Menge entwickelt in den 20 Jahren. Mehr als 250 Chorklassen seien landauf, landab entstanden. Und die Tendenz sei – mit Ausnahme in der Corona-Zeit – weiterhin steigend. „Die Teilnehmer sagen, es sei eine besondere Motivation“, weiß die Wasbüttelerin. Auch die musikpädagogische Landschaft habe sich verändert – zum Positiven: „Die Lehrkräfte holen sich durch den ständigen Austausch viel neuen Input.“
Es habe sich herumgesprochen, dass das Chorklassen-Konzept ein nachhaltiges ist, bei dem die Theorie praktisch vermittelt wird. Bei 20 Jahren erfolgreicher Arbeit braucht es auch kaum noch Überzeugungsargumente für Neugründungen. Dabei gibt es die reichlich: „Es gibt Studien, die belegen, dass das Singen die Schüler kognitiv und sozial weiterbringt“, weiß Zieske. In ihrer eigenen Grundschule haben sich deshalb nicht nur einzelne Chorklassen etabliert: Mittlerweile nennen sich alle vier Klassen so, Wasbüttel hat quasi eine Chorschule. Ab Sommer kommt eine fünfte Klasse hinzu, weil der erste Jahrgang zweizügig wird.
Wie Chorklassen nachwirken, merkt Zieske auch immer, wenn sie ehemalige Schüler trifft: „Einer konnte sich nach 15 Jahren immer noch gut an sein Solo in der Kirche erinnern.“ Zwei andere berichteten ihr, sie hätten sich kürzlich getroffen, um noch einmal das Video von ihrem damals aufgeführten Musical anzuschauen. „Sie konnten sogar noch die ganzen Texte! Es freut mich, wenn ich das höre.“
In einem ihr bekannten Fall – in der Grundschule in Ribbesbüttel – habe es eine ehemalige Chorklassen-Schülerin sogar bis zu einer Karriere als Opernsängerin gebracht. Viele andere arbeiteten heute in musischen Bereichen, zum Beispiel als Künstler oder Fotografen. Doch für Gesangskarrieren sei der Weg für Gifhorner Schüler sehr schwer: „Gute Sänger müssten dann zum Beispiel in einem Chor wie in Hannover weitermachen“. Denn ein Problem gibt es im Landkreis noch: Nach der Grundschule ende der intensive Gesangsunterricht meistens in der weiterführenden Schule – „außer an der IGS Gifhorn laufen die Schüler erstmal ins Leere“.
Vielleicht gibt das ChorklassenJubiläumsjahr ja Impulse für weitere Neugründungen. Aufmerksam machen wollen die Ausbilderinnen und Ausbilder wie Silke Zieske jedenfalls mit verschiedenen Aktivitäten: Nach einem Kongress mit Workshop Anfang dieses Jahres in Wolfenbüttel laufen derzeit landesweit 14 Chorklassenkonzerte. Nach den Sommerferien rufen sie zu einem Schulmob mit Herbstlied auf – das können die Gruppen zum Beispiel auf dem Marktplatz, Schulhof oder in einem Altenheim präsentieren.
Für November ist ein Studientag angesetzt, bei dem Studenten das Konzept kennenlernen können. „Da geht es um die Zukunft des Musikunterrichts.“ Interessenten könnten per Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. weitere Informationen bekommen.
Die Zukunft der ChorklassenAusbildung ist allerdings auch nach 20 Jahren nicht sicher. „Wir brauchen Menschen, die in die Qualifizierung mit einsteigen.“ Mit 62 Jahren denkt Zieske auch schon an eine Zeit nach der Pensionierung.

Aus der Gifhorner Rundschau vom 10.07.2023