2018 01 27az3Wer hat diese Glasperlen wohl mal um den Hals getragen? Und wer besaß die Kunstfertigkeit, sie herzustellen? Ein Riss im Mantel der Geschichte gibt ein Detail preis und wirft zugleich viele Fragen auf. Der Wasbütteler Hobbyarchäologe Artur Buß hat auf einem Acker bei seinem Dorf kunstvoll verzierte Glasperlen gefunden, die ältesten stammen aus dem sechsten vorchristlichen Jahrhundert. Der Fund ist außergewöhnlich, nicht nur wegen des Alters.

 

„Wir haben nicht schlecht gestaunt, als Artur Buß mit der Box voller Perlen ankam“, sagt Kreisarchäologe Dr. Ingo Eichfeld. Denn die Spiralaugenperlen mit eingearbeiteten weißen Spiralmustern und gelben Noppen von etwa 250 vor Christus sind zuvor noch nie hier in der Gegend aufgetaucht, ebenso wenig die Schichtglasperlen aus dem sechsten Jahrhundert vor Christus.

Eichfeld zeigt eine vergleichsweise einfache, schlicht blaue Perle: „Die steckte vielleicht mal am Ende einer Nadel, einer Gewandnadel zum Beispiel.“ Hingegen die aufwändig gemusterten, fingernagelgroßen Spiralaugenperlen „gehörten vermutlich zu einer Kette, die eine höhergestellte Persönlichkeit im Dorf getragen hat“.

Unter den von Buß aufgelesenen Schmuckstücken – „Ich sammle nur ab, was an der Oberfläche liegt“, sagt das Mitglied der archäologischen Arbeitsgemeinschaft – befinden sich Bruchstücke ebenso wie ganze Perlen, keine davon verkohlt oder angebrannt. „Das spricht für eine Siedlung an der Fundstelle“, erklärt Heinz Gabriel, ehrenamtlicher Beauftragter für die archäologische Denkmalpflege im Landkreis. „Anderenfalls würde es sich um Grabbeigaben handeln, die mit dem Verstorbenen auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden.“

2018 01 27az2Was für eine Siedlung, das lässt sich nur vermuten: „Sie wird Handels- oder andere Beziehungen in verschiedene Richtungen gehabt haben“, meint Eichfeld, denn „die Motive der Spiralaugenperlen kommen aus dem keltischen Raum“. Perlen mit gelben Noppen wurden bisher nur an drei, vier Fundorten in der Altmark und im Landkreis Uelzen gefunden, und die ebenfalls von Buß aufgelesene Bernsteinperle könnte auf Kontakte bis an die Ostseeküste hindeuten.

Die filigrane Ausführung der Muster auf den Perlen spricht für eine hohe Kunstfertigkeit des Handwerkers. Das wiederum lässt die Vermutung zu, dass es sich bei der vorchristlichen Siedelung bei Wasbüttel um ein wohlhabendes Dorf gehandelt haben könnte, das eine längere friedliche Epoche erlebte.

Und woher weiß Eichfeld, wie alt die Perlen sind? „Da kommt die systematische Archäologie ins Spiel“, erklärt er. So genannte geschlossene Funde – Leichenreste mit Trachtbestandteilen – lassen sich mit Hilfe der Radiocarbonmethode datieren. „Und dann kann man die Beifunde auch datieren.“ Da es aus dem keltischen Raum geschlossene Funde mit Spiralaugenperlen gibt, kann Eichfeld auch die Wasbütteler Fundstücke datieren.

Ausstellung im Schlossmuseum geplant

Die Spiralaugenperlen und die Schichtglasperlen, die Artur Buß auf einem Acker bei Wasbüttel gefunden hat, sind zu schade für eine Schublade. „Wir planen eine Ausstellung mit diesen ungewöhnlichen Fundstücken“, kündigt Heinz Gabriel, ehrenamtlicher Beauftragter für die archäologische Denkmalpflege im Landkreis. Die Archäologische Arbeitsgemeinschaft bestückt im Eingangsbereich des Historischen Museums Schloss Gifhorn eine Vitrine. „Dort möchten wir die Perlen gerne zeigen.“ Wann genau, das steht noch nicht endgültig fest, aber Gabriel und Kreisarchäologe Dr. Ingo Eichfeld fassen den Frühsommer ins Auge. Dann können Interessenten die bis zu 2600 Jahre alten Schmuckstücke, die in einer Siedlung nahe des heutigen Wasbüttels hergestellt worden sind, mit eigenen Augen sehen.

Aus der Allerzeitung vom 27.01.2018, Fotos: Christina Rudert