2018 01 10az1Ritter leben bis heute mitten unter uns, einer von ihnen wohnt in Wasbüttel. Wer den Tempelritter Frère Manfred Johannes besucht, betritt ein normales Einfamilienhaus. Graue Hose, schwarzer Blazer mit Goldknöpfen, ein Wappen auf der silbernen Krawatte eingestickt, ein kleines Wappen am Revers, ein größeres Emblem am Blazer: Manfred Johannes Unger ist keineswegs gekleidet wie ein Ritter. Er geht einem normalen Beruf nach, führt ein normales Familienleben. Was also macht seinen Ritterstand aus, mal abgesehen von der eher scherzhaft gemeinten gut kniehohen Ritterrüstung am Hauseingang?

 

Spirituelle Gemeinschaft

Als „spirituelle Gemeinschaft“ bezeichnet der Wasbütteler, der seit vorigem Jahr als Komtur dem Ordenshaus in Norddeutschland vorsteht, den Historischen Ritterorden der Tempelherren von Jerusalem. Nach Postulat und Noviziat hat er sich dem Orden mit Ritterschlag und Investitur, der Einkleidung mit dem Ordensmantel, 2010 verbindlich und per Gelöbnis – „und zwar vor Gott, nicht vor den Menschen“ – angeschlossen. „Eine spirituelle Gemeinschaft unter Wahrung der Tradition, wobei der Orden heute andere Aufgaben hat als zur Zeit seiner Gründung vor 900 Jahren.“

Als Aufgaben definiert Frère Manfred Johannes zum Beispiel den Einsatz im sozialen Bereich, „es geht darum, die Menschlichkeit zu fördern und zu leben“. So sei es „unsere Christenpflicht, Flüchtlingen zu helfen“. Sorgten die Tempelritter im Mittelalter für die Sicherheit von Pilgern auf deren Wallfahrt, „so begleiten wir heute eher im übertragenen Sinne Menschen auf ihrer inneren, spirituellen Reise“.

Ein inneres Geheimnis

Wer Tempelritter werden will, muss getauft sein, also einer christlichen Konfession angehören – welche, spielt keine Rolle. „Wir sind keiner Kirche zugeordnet, sondern ökumenisch ausgerichtet und ausdrücklich keine Sekte“, betont der Wasbütteler. Eher akzeptiert er die Definition einer im ursprünglichen Sinne esoterischen Spiritualität, einer philosophischen Lehre, die nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich ist. Denn bei den Tempelrittern gibt es trotz aller Transparenz auch ein inneres Geheimnis, das Kapitel-Geheimnis. „Man muss manchmal auch schweigen können.“ Ebenfalls ein Geheimnis bleibt die Zahl der Mitglieder.

„Wir arbeiten daran, mehr zu werden“, sagt Frère Manfred Johannes und geht für das Foto voran in den Garten. Der ist als Rosette angelegt – vier Himmelsrichtungen, vier Jahreszeiten, vier Tageszeiten, vier Elemente, eines der Symbole der Tempelritter. Am Rand stehen eine kleine Kapelle und ein Backofen – Unger ist unter anderem gelernter Bäckermeister. „Bei jedem Kapitel – so heißt die Zusammenkunft der Ritter – teilen wir Brot und Wein“ – mit selbstgebackenem Brot.

Aus der Allerzeitung vom 10.01.2018, Foto: Christina Rudert