Mit der Kombination von komplexen Bewegungen Wege und Hindernisse effizient zu überwinden – das ist Parkour. Die sportliche Fortbewegungsart ist im Trend, gilt es doch, abseits der offiziellen Straßen und Wege eigene Pfade zu finden. Erfunden hat es Raymond Belle zusammen mit seinem Sohn David in den 80er Jahren in Frankreich. Doch auch auf dem Dorf kann man trainieren und die Kunst der Fortbewegung erlernen. „Das ist ja gerade das Tolle daran”, schwärmt Ihno Schrot. Der Student lernte den Sport 2008 kennen – und schon seit 2009 treffen sich Jugendliche in der Sporthalle in Wasbüttel, um Parkour zu trainieren.

Wasbüttel? Da gibt es doch gar keine Häuserschluchten, hohe Mauern und ausladende Zäune! „Es reicht im Prinzip schon eine Bordsteinkante, da kann man schon Präzisionssprünge üben und immer wieder auf der Kante aufkommen. Ich habe hier auf dem Spielplatz angefangen. Klar gibt es bei den Hotspots in Braunschweig am Löwenwall oder in Wolfsburg am Rathausplatz mehr Möglichkeiten, um etwas auszuprobieren. Aber die Ur-Idee war es ja, in natürlichen Umgebungen eigene Wege zu finden”, so Ihno Schrot. Erste Versuche machte er bei einem Camp der Monkey Movements und der Kirche in Laatzen-Rethen. Danach schloss sich der Student der Gruppe in Wolfsburg an. Durch die Unterstützung der Jugendwartin des MTV Wasbüttel (mtv-wasbuettel.de) gelang es ihm schließlich, den Verein zu überzeugen und die Halle für das Training freizugeben. Das Indoor-Training ist auch für den eigentlichen Freiluft-Sport durchaus wichtig und richtig. „Das Ziel ist natürlich schon, das Trainierte auch draußen auszuprobieren, ohne Matte und Hilfestellung – aber zur Vorbereitung ist die Halle mit ihren Geräten schon empfehlenswert”, meint Schrot.

Aber worin besteht eigentlich die Faszination Parkour? Warum gehen mehr und mehr Kinder und Jugendliche in ihrer Freizeit freiwillig in eine Sporthalle, um über Geräte zu klettern, die sie im normalen Schulsport eher nicht so spannend finden, wie „Pferd“, Reck und Kletterseil?

Diplom-Pädagogin Katia Saalfrank weiß, warum: „Parkour ist wirklich etwas ganz Besonderes, weil es genau die Dinge, die die Kinder brauchen, letztlich vermittelt. Es geht um Werte, es geht gar nicht um Regeln, es geht gar nicht um Leistung und jeder hat seine eigenen 100 Prozent und ist mit sich im Kontakt. Es geht um Wertschätzung, um Achtsamkeit mit sich selbst und auch mit seiner Umgebung und darum zu erkennen, dass man nicht die Wege gehen muss, die hier gebaut sind, sondern dass man andere Wege gehen kann. Man darf ausbrechen. Das ist eine wunderbare Erfahrung für die Kinder.“ Die aus dem TV bekannte Saalfrank ist Schirmherrin der Bepanthen-Kinderförderung, die Parkour-Projekte bundesweit fördert.

Der Leistungsgedanke spielt bei diesem Trendsport eine untergeordnete Rolle. Dass ein Arznei-Hersteller inzwischen Extrem-Wettbewerbe in der Sportart Parkour veranstaltet, gefällt den meisten Kindern und Jugendlichen eher weniger. „Es geht darum, sich selbst weiter zu entwickeln. Selbst stark und nützlich sein – das ist die Leitidee, Wettbewerbe sind da dann unpassend,“ meint auch Ihno Schrot. Die Ziele sind also eher persönlicher Natur. Es ginge darum, immer wieder neue Bewegungen und Kombis zu lernen und auszuprobieren. Wenn sich nach eifrigem Training eine Bewegung perfektionieren läßt, sei die Freude am Ende umso größer, erzählt Schrot. Den Traum, einmal Weltstädte wie New York, Paris, London oder natürlich das Parkour-Eldorado Santorin zu „beturnen“, teilt Ihno Schroth deshalb auch nicht unbedingt. Da geht es ganz bodenständig – ein Wort, das irgendwie unpassend in Verbindung mit diesem Sport wirkt – gern mal zu den Gruppen in die nähere Umgebung – zum Beispiel nach Wasbüttel, wo die Stimmung beim Training gelöst ist. Da hilft jeder jedem, der Spaß steht im Vordergrund. Trotzdem verlangt diese Sportart den Trainierenden viel ab: Kraft, Beweglichkeit, Ausdauer, vor allem jedoch Selbsteinschätzung und Kreativität. Schließlich will man ja nicht einfach nur abgucken und nachmachen, sondern eigene Möglichkeiten finden. Das macht gerade in der Gruppe Spaß, wo die „Kleinen“ den „Großen“ dank ihrer Ideen oft ebenbürtig sind. „Alle wollen ja auch wieder gesund nach Hause kommen“, versichert Parkour-Fan Schrot. Die Teilnehmer sollen mit ihrem Körper umzugehen lernen, an die eigenen Grenzen stoßen und sich weg von dem bewegen, was ihren Alltag schwer macht.

Und so können Interessenten auch ganz unkompliziert einfach mal vorbeikommen, wenn die Gruppen trainieren. Ob in Braunschweig, Wolfsburg oder eben in Wasbüttel. Seit kurzer Zeit gibt es auch ein Angebot in Vollbüttel – von guten Freunden von Ihno Schrot. „Ist doch toll, dass wir auch auf dem Land solche Angebote haben. Wir kennen uns fast alle untereinander. Und so kann man beispielsweise jeden Montag in Vollbüttel trainieren und am Freitag in Wasbüttel.“

Aus inSport vom 12.09.2014, Fotos: MTV-Wasbüttel, Text: Frank Kornath