2017 06 01bz1Diese Frage von Stefan Sievers aus Wasbüttel ist eigentlich obligatorisch, wenn man ihn besucht: "Möchten Sie vielleicht einen Kaffee?" Was sonst? Dann schmeißt er seine knallrote Gastromaschine in der Küche an. Wie man das schwarze Getränk schmackhaft herstellt, das hat sich der Elektrotechnik-Ingenieur aus Büchern und dem Internet selbst beigebracht. Sein Wissen wendet er gern auch ab und zu in der Alten Schule an und präsentiert dem Publikum dann den schmackhaftesten Kaffee, den es jemals zu Munde geführt hat.

 

Die Siebträgermaschine pumpt und faucht, heizt die vorrätigen 2,6 Liter Wasser auf 120 Grad Celsius unter 1 bar Druck. "Das braucht man zum Milchaufschäumen", sagt Sievers. Er hält den Becher mit Milch unter die Düse, es schlürft. Das Kaffeemehl bekommt genau 92 Grad heißes Wasser. Hinterher kippt er beides zusammen - gekonnt entsteht ein Herzmuster in der Tasse. "Der Milchschaum muss so flüssig sein wie die Milch selbst."

Die original italienische Maschine namens "Brasilia" hat der 50-Jährige über das Internet erstanden, sie komplett zerlegt, entkalkt und überholt - ein Jahr Arbeit. "Sie ist wohl der größte Stromverbraucher in unserem Haus", sagt er. 1,8 Kilowatt Leistung hat sie. Aber das lohnt sich - entsprechend schmeckt der Kaffee: diesmal nach den fair gehandelten, mild gerösteten "Tunki"-Bohnen aus Peru.

Doch wie kommt jemand, der Navigationsgeräte für Autos entwickelt, in den 90er Jahren dazu, sich plötzlich für die Arbeit eines Baristas zu interessieren? "Ich war zwei Jahre lang bei Philips in Holland beschäftigt, da hat der Kaffee irgendwie anders geschmeckt." Dort gab es andere Röstungen. Zurück in der Heimat beim Kauf der Küche für das neue Haus, trifft Sievers erstmals auf einen Kaffeevollautomaten - "ich war voll begeistert". Aber er erkennt schnell: "Aus einem Siebträger schmeckt Kaffee doch noch besser als aus einem Automaten."

Dann geht es los: Der Wasbütteler probiert mehr als 50 verschiedene Sorten. Doch eins will nie 100-prozentig gelingen: die natürliche Crema, ein beiger Schaum, der nicht nur aufgeschäumt ist. Da weiß Sievers: "Ich brauche auch frisch geröstete Bohnen." Und zwar selbst geröstete, denn die industriell verarbeiteten würden zu schnell geröstet, sagt er. Sie seien teilweise außen verbrannt und innen noch roh.

Seinen ersten Mini-Rohkaffee-Röster hat er noch - "ich werfe ja nichts weg". Aber der ist zu klein: "Für eine Wochenration musste ich fünfmal rösten." Und was macht ein Ingenieur in solch einer Situation? Klar, er baut sich einfach etwas Neues.

"Kommen Sie mal mit in den Keller!" Sievers präsentiert dort ein Edelstahl-Monstrum mit Schläuchen, Motoren, Kettenantrieben, Gebläse und Computersteuerung - man könnte es glatt für eine Zeitmaschine halten. Doch das Gerät funktioniert tadellos und befördert nur Arabica und Co. in die Zukunft. Der Wasbütteler kippt oben in den Trichter eine Schüssel mit seiner "Wasbütteler Mischung" aus fruchtigen Bohnen aus Äthiopien, geschmackvollen aus Brasilien, nussigen aus Guatemala oder Peru sowie Robusta-Bohnen ein, die eine erdige Note und eine gute Crema mitbringen. "Das Aroma steht da im Vordergrund. Die Mischung ist nicht sauer und nicht bitter", sagt der 50-Jährige zu seiner Rezeptur.

An seiner "KR-1"-Röstmaschine hat er ein Dreivierteljahr gebastelt. Ein Schweibenwischermotor vom Schrottplatz dreht die Trommel, das Gebläse eines Autokühlers pustet die Silberhäutchen der Bohnen in einen Filter. "Ich optimiere die Dinge gern." Entscheidend sei eine konstante Temperatur in der Trommel, die von einem selbst gebauten Gasbrenner erhitzt wird. Aus diesem Grund zeichnet ein Computer die Temperaturkurven auf - die Software dazu gibt es sogar kostenlos im Internet.

Dann knackt es im Innern wie in einer Popcorn-Maschine. "Das ist der erste Crack, jetzt werden die Aromastoffe gebildet. Bei 180 Grad reduziere ich die Hitze." Wie die Bohnen braun und groß werden, kann Sievers durch ein Bullauge beobachten. Er kann der Trommel aber auch eine Probe entnehmen. Schließlich öffnet der Kaffee-Experte die vordere Klappe und die Bohnen purzeln von einer Spirale befördert nach vorn auf das Abkühlsieb - es duftet verführerisch. Koffeinsüchtig ist Sievers trotzdem nicht, oder? "Ich trinke drei bis vier Tassen am Tag. Morgens gar nicht."

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Aus der Braunschweiger Zeitung, Gifhorn - 1. Juni 2017 - Gifhorner Lokales - Seite 19, Fotos: Reiner Silberstein