Immer weniger Bürger kandidieren bei Kommunalwahlen. Und sogar mancher Volkspartei fällt es schon schwer, einen Anwärter fürs Bürgermeisteramt zu finden – so wie zuletzt der CDU in Isenbüttel. Die (noch) aktiven Politiker in der Samtgemeinde Isenbüttel können und wollen davor nicht die Augen verschließen und haben deshalb einen Arbeitskreis gebildet. Offiziell widmet der sich „interkommunaler Zusammenarbeit“. Doch es geht um mehr: Denn aus der Samtgemeinde könnte eine Einheitsgemeinde werden.

„Meistens gibt's solche Fusionen aufgrund finanzieller Sorgen“, weiß Samtgemeindebürgermeister Hans-Friedrich Metzlaff. „Die haben wir zwar nicht, aber selbstverständlich würde die Umwandlung in eine Einheitsgemeinde auch uns finanzielle Vorteile bringen – mal ganz abgesehen von den vielen anderen Vorzügen.“

 

Nur welche sind das? „Die Aufgaben der Mitgliedsgemeinden werden immer mehr – ein ehrenamtlicher Bürgermeister, der im Berufsleben steht, kann das kaum packen“, erklärt Metzlaff den chronischen Kandidatenmangel. „Und die Belastung der Ratsmitglieder – die das schließlich in ihrer Freizeit machen und sich in komplexe Themen einfuchsen müssen – ist auch nicht zu unterschätzen.“

Anstatt vier einzelner Haushaltspläne für die Mitgliedsgemeinden und einem für die Samtgemeinde gäbe es nur noch einen Gesamtetat für alle Orte: „Das ist übersichtlicher und das Geld kommt dann auch dort an, wo es hin soll“, hofft Metzlaff. Um ihren Reisepass oder Personalausweis zu verlängern, müssen die Bürger schon jetzt ins Isenbütteler Rathaus kommen – „und künftig gäbe es dort dann auch für jede andere Angelegenheit einen direkten Ansprechpartner“. Anstelle der jetzigen Gemeindebüros könnte es Außenstellen der Verwaltung in den Ortsteilen geben. „Es muss also niemand fürchten, dass sein Dorf plötzlich abgehängt wird.“

Und wann könnte es so weit sein? „Erst zur Wahl 2021“, sagt Metzlaff. Der Arbeitskreis – jede Gemeinde ist vertreten – müsse erst gründlich diskutieren. Und dann braucht es auch noch ein Ja aller Gemeinderäte und ein Gesetz im Landtag.


Samtgemeinde oder Einheitsgemeinde: Wo ist da überhaupt der Unterschied?

  • Eine Samtgemeinde vereint mehrere Mitgliedsgemeinden. In der Samtgemeinde Isenbüttel sind das Calberlah, Isenbüttel, Ribbesbüttel und Wasbüttel. Die Samtgemeinde hat ebenso wie jede Mitgliedsgemeinde einen eigenen Bürgermeister und einen Rat, in dem die politischen Weichen gestellt werden. Aufgaben der Samtgemeinde sind die Trägerschaft von Grundschulen, Friedhöfe und Feuerwehren, Bau und Unterhaltung von Gemeindeverbindungsstraßen, Büchereien und Flächennutzungspläne.
  • Die Mitgliedsgemeinden sind hingegen für die detaillierten Bebauungspläne zuständig – außerdem für Meldewesen, Straßenreinigung, Grund- und Gewerbesteuer sowie Gemeindestraßen.
  • Eine Einheitsgemeinde vereint die Aufgaben von Samtgemeinde und Mitgliedsgemeinden unter einem Dach – so wie in einer Stadt. Die Verantwortung trägt ein hauptamtlicher Bürgermeister, Entscheidungen fallen allesamt in einem Gemeinderat. Einzelne Ortsteile können beratende Ortsräte mit Ortsbürgermeistern bilden oder alleinige Ortsvorsteher bestimmen.

Und das sagen die Bürgermeister der vier Mitgliedsgemeinden

Peter Zimmermann, Bürgermeister in Isenbüttel
„Die Umwandlung in eine Einheitsgemeinde mag spannend klingen, aber die Überlegungen sind noch nicht sonderlich ausgegoren! Sicher: Ein schlankerer Apparat würde ökonomische Vorteile bringen. Aber die zugrunde liegende Landesrichtlinie schreibt vor, dass eine Einheitsgemeinde höchstens 8000 Einwohner haben soll und das Zentrum nicht mehr als sieben Kilometer vom äußersten Punkt entfernt sein darf – dafür ist unsere jetzige Samtgemeinde schlichtweg zu groß. Die Vertretung vor Ort würde leiden, ich sehe einfach keinen signifikanten Vorteil. Nur eine Idee ist wirklich reizvoll: Isenbüttel und Wasbüttel zusammen als kleine und starke Einheitsgemeinde.“

Jochen Gese, Bürgermeister in Calberlah
„Das System, wie es jetzt ist, finde ich gut. In der Einheitsgemeinde sehe ich keine Vorteile. Die Bürgernähe ist zurzeit einfach viel größer. Ein wichtiges Gut, ich sehe es ja bei mir selbst: Die Calberlaher rufen mich privat an oder stehen abends vor meiner Haustür, wenn irgendwo der Schuh drückt. Bei einem hauptamtlichen Bürgermeister, der womöglich sogar noch außerhalb wohnt, ginge das sicher nicht. Klar, der Druck auf den ehrenamtlichen Bürgermeister und seine beiden Stellvertreter ist in einer Gemeinde wie Calberlah enorm hoch. Und darum kann das wohl auch niemand machen, der noch im Berufsleben steht. Aber allein deshalb gebe ich unsere Eigenständigkeit nicht auf.“

Ulf Kehlert Bürgermeister der Gemeinde Ribbesbüttel
„Gerade die kleinen Gemeinden haben heute schon Probleme, ihre Aufgaben zu bewältigen. Mit rein ehrenamtlicher Arbeit ist das ohnehin nicht mehr zu schaffen. Dass die viel gepredigten Synergieeffekte, die ja Zusammenschlüsse immer haben sollen, nun inhaltlich untersucht und bewertet werden, finde ich sehr interessant – daher begrüße ich den Arbeitskreis.“


Lothar Lau Bürgermeister der Gemeinde Wasbüttel
„Ich hab' mich noch nicht festgelegt. Der Kandidatenschwund bei Kommunalwahlen macht mir Sorgen, deshalb kann ich einer Einheitsgemeinde durchaus etwas abgewinnen. Andererseits finde ich unser bisheriges Modell in der Zusammenarbeit von Räten und Vereinen unübertroffen. Wachsende Entfernung zwischen Politik und Dorfleben könnte dem schaden.“

 


Diskutieren, aber nichts übers Knie brechen

Samtgemeinde bleiben oder Einheitsgemeinde werden? Diese Entscheidung wird von Politik und Verwaltung in Isenbüttel alles andere als übers Knie gebrochen. „Vor- und Nachteile müssen gründlich abgewogen werden – schließlich ist es eine Weichenstellung für Jahrzehnte“, betont Samtgemeindebürgermeister Hans-Friedrich Metzlaff. Die Checkliste wird zurzeit von einem Arbeitskreis erarbeitet.

Neu ist das Thema nicht – nur die Diskussion nimmt immer mehr an Fahrt auf: Bereits im Februar 2010 ließen sich Politik und Verwaltung vom früheren Ministerialdirigenten Robert Thiele über die Folgen einer Umwandlung informieren. „Seitdem haben wir uns alle gründlich Gedanken gemacht“, sagt Metzlaff.

Drei Gruppen wurden im Arbeitskreis gebildet: Ein Jahr lang sollen sie von nun an alle wichtigen Infos zu den Themen Gemeindeverfassung und Ortsrecht, Verwaltungsreform und Finanzen sowie Bauwesen und öffentliche Einrichtungen zusammentragen. „Dann sollte die Richtung klar sein – und dann geht's in die Diskussion.“

Im Arbeitskreis sind alle Gemeinden, alle politischen Richtungen und die Fachleute der Verwaltung vertreten: Detlef Lehner (SPD), Henning Müller (CDU) und Klaus Rautenbach (Grüne) aus Isenbüttel, Michael Wehmann (CDU), Uwe Kunkel (SPD) und Bianca Geisler (UWG) aus Calberlah, Ulf Kehlert (SPD) und Hans-Werner Buske (CDU) aus Ribbesbüttel, Lothar Lau (CDU) und Britta Schliephacke (SPD) aus Wasbüttel, Anke Brechbühler und Gunnar Windmüller von den Gemeindeverwaltungen sowie Erich Day und Jürgen Wisch von der Samtgemeinde.

Aus der Allerzeitung vom 27.09.2013 / AZ Seite 26, Fotos: Photowerk (til), Ron Niebuhr (Archiv)

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