Gepflasterte Wege brauchen Nils David, Christian Schönig und Arne Gliemann eigentlich nicht unbedingt. Sie lieben das Querfeldein - die Jugendlichen aus Wasbüttel sind "Parkour"-Läufer. 

Man nennt sie auch Traceure (französisch: "die den Weg ebnen"). Ziel ist es, von A nach B zu kommen, aber eben schnell und effizient. Hindernisse wie Zäune, Mauern, Treppengeländer, Beete, Bäche, Bänke und Mülltonnen können zwar leicht oder schwer sein, aber nicht unüberwindbar. "Es gibt keine wirklichen Grenzen", sagt der 18-jährige Arne Gliemann.

Kreativität ist gefragt - "du läufst deinen eigenen Weg, nicht den vorgegebenen", so sein Freund Nils David. Und das heißt für einen so genannten "Run": Da wird gesprungen, balanciert, geklettert, gerollt und sich gedreht. "Und dabei überwindet man nicht nur äußerlich Mauern, sondern auch innerlich", sagt Nils. Sich selbst zu überwinden, das ist das Ziel. Dadurch gewinne man Selbstvertrauen - "und Respekt vor den Hindernissen".
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Hinter dem Ganzen steckt allerdings eine ganze Menge Philosophie (siehe Stichwort). Parkour soll nicht nur schnell sein, sondern auch elegant. Wenn Nils, Arne und Christian über die Spielgeräte am Schulspielplatz in Wasbüttel in Salti springen, dann hat das etwas von der spielerischen Geschmeidigkeit, die man von durchtrainierten Turnern oder Turmspringern kennt.

"Für Parkour muss man aber auch hart trainieren", so Nils, "damit man sich wie bei jeder anderen Sportart nicht verletzt." Denn für den 16-Jährigen war der Start in diese Sportart vor drei Jahren eine schmerzvolle Erfahrung: "Das ging ziemlich schief. Ich habe mir gleich einen Fuß gebrochen, als ich einen Handstand auf einer Rutsche probierte und vorn überkippte." Damals hatte er ein paar Video-Clips im Internet gesehen und wollte es einfach mal ausprobieren.

Seit einem Jahr ist Parkour aber eine richtige Sparte im MTV Wasbüttel. Und jeden Donnerstag von 16 bis 18.30 Uhr trainieren zurzeit fünf Mitglieder - und nach deren Meinung können es ruhig noch mehr werden.

Aber wie trainiert man in der Sporthalle das Bewegen im urbanen Gelände? "Wir holen einfach einen Kasten raus und fangen an", sagt Nils. Der Katzensprung ("Saut de chat" oder Hocksprung) ist eine der ersten Varianten. Andere Techniken kommen hinzu: "Lazy" ist der Lieblingssprung des 17-jährigen Christian - seitwärts erst mit nur einem Arm aufgelegt, dann folgt der zweite.

Arne findet mehr Vergnügen am Rückwärtssalto ("Gainer"). In der Halle braucht er die Geräte aber für etwas anderes: "Wenn wir in einer Stadt ein Hindernis gefunden haben, das wir uns nicht trauen, dann bauen wir das erst einmal hier nach." Erst wenn alles sitzt, kehren die Jugendlichen zurück - zum Beispiel auf den Rathausplatz in Wolfsburg, an den Löwenwall in Braunschweig oder auf den Raschplatz in Hannover. "Das ist großartig, überall sind Mauern." Und: "Die Leute schauen zu, finden es interessant, was wir machen, und fragen."

Arne ist der Älteste in der Gruppe mit der größten Parkour-Erfahrung. "Ich habe vor vier Jahren mit ein paar Kumpels angefangen. Wir sind auch auf Häuser raufgeklettert." Doch die Zeiten sind vorbei. Nils nennt den Grund: "Das mag ich überhaupt nicht, geht zu sehr auf die Gelenke."

Nun trainieren die Wasbütteler, um immer besser zu werden. Aber an Wettkämpfen, die es auch in dieser Sportart gibt, haben sie gar kein Interesse: "Man macht etwas für sich. Der Reiz liegt darin, die eigenen Mauern und Grenzen zu überwinden", sagt Arne.
Nils: "Einfach Spaß haben."

"Der Reiz liegt darin, die eigenen Mauern und Grenzen zu überwinden." Arne Gliemann (18 Jahre)

STICHWORT  

"Parkour" ist eine Sportart, bei der der Läufer möglichst kunstvoll den schnellsten Weg zu seinem Ziel findet. Der Begriff ist an das französische Wort "parcours" (Weg) angelehnt. Erfinder ist der Franzose David Belle. Sein Vater, ein ehemaliger Vietnam-Soldat, brachte ihm die "Méthode Naturelle" bei, die Kunst der Bewegung durch die Landschaft mit Hindernissen. Belle übertrug diese Ende der 80er Jahre auf die städtische Beton- und Stahllandschaft des Pariser Vororts Lisses. Die Philosophie der Anhänger: Es gilt, die Bewegung als Kunst zu verstehen, eigene Grenzen zu entdecken und zu überwinden. Dazu gehört auch der respektvolle Umgang mit der Umgebung und den Mitmenschen.

INTERNET  

Aus der Gifhorner Rundschau, Wolfsburg: 4. September 2010, Gifhorn Lokales, Seite G05, Fotos: Reiner Silberstein