Sie haben schon oft über diesen Urlaub geredet. Das merkt man, wenn sich Hanni und Dieter Knospe mit Giuseppe Riotto über ihre Sizilien-Reise unterhalten. 1986 hatte der heute 71-Jährige seine Freunde in seinen Heimatort Castellana eingeladen.Sie schwelgen gemeinsam in Erinnerungen, ergänzen sich gegenseitig, und beenden die Sätze des jeweils anderen. Wenn Dieter Knospe nicht mehr weiß, wie genau die sizilianische Käsefabrik hieß, die ihn so beeindruckt hat, dann hilft Giuseppe Riotto ihm aus. Und wenn Knospe seinem alten Freund 'Seppe' ins Wort fällt, dann scheint es so, als habe dieser schon darauf gewartet. So ist das bei alten Freunden und guten Geschichten.

Alte Freunde, das sind Dieter Knospe und Giuseppe Riotto auf jeden Fall. 1971 haben sie sich kennengelernt - durch die Fahrgemeinschaft von Wasbüttel zum VW-Werk nach Wolfsburg. Riotto war 1962 aus Sizilien nach Wolfsburg gekommen. Knospe hatte 1969 bei VW angefangen.

Die Reise nach Castellana im Sommer 1986 war eine spontane Sache. "In dem Jahr sind bei uns alle Pläne für den Sommerurlaub geplatzt", erzählt Hanni Knospe. "Seppe hat uns dann eingeladen, zusammen mit seiner deutschen Familie bei seiner sizilianischen Familie Urlaub zu machen." In Castellana angekommen erwartete die Knospes ein Urlaub der besonderen Art. "Wir gehörten vom ersten Moment an zur Familie und zwar mit allen Konsequenzen. Wenn wir nicht pünktlich zum Abendessen kamen, schimpfte Seppes Mutter mit uns", erzählt Dieter Knospe.

Mit der Verständigung hatten die beiden Deutschen bei Riottos Familie allerdings einige Probleme. "Seppes Mutter erzählte immer viel auf Italienisch mit mir", sagt Hanni Knospe. Die heute 71-Jährige habe wohl so verständnislos geguckt, dass die Italienerin anfing zu schimpfen. Bei der Erinnerung daran fängt Giuseppe Riotto immer noch an zu lachen. "Meine Mutter hat damals gesagt, 'Jedes kleine Kind versteht Italienisch und du große Frau verstehst kein Wort'", erzählt er.

Doch Hanni Knospes Deutschkenntnisse fanden in Castellana noch große Nachfrage. "Eines Tages saßen mein Mann und ich vor der Kirche, da wo immer die Rentner saßen. Aber die Rentner saßen nicht, sondern sie liefen um uns herum mit blauen Briefumschlägen in der Hand", erinnert sich die 71-Jährige. "Ich erkannte die Umschläge von meiner Tätigkeit bei der Post. Es waren Rentenbescheide, die im besten Bürokratendeutsch Auskunft von den aus Deutschland zurückgekehrten Italienern verlangten." Irgendwann habe sich einer getraut, sie anzusprechen und um Hilfe zu bitten, erzählt Knospe. "Einen Tag lang habe ich dann geschrieben. Ich hatte eine richtige Schlange hinter mir. So viel Anerkennung und Dankbarkeit habe ich selten erlebt - das war vielleicht der schönste Tag."

Es gibt noch viele Geschichten und Erinnerungen aus Castellana, und wenn man Hanni und Dieter Knospe zuhört, hat man das Gefühl, dass sie nicht zwei Wochen, sondern Monate mit ihrem Freund Giuseppe Riotto und seiner Familie in Castellana verbracht haben.

"Diese Tage auf Sizilien haben uns die Menschen und das Land so nahe gebracht, dass ich einfach nur dankbar dafür bin", sagt Hanni Knospe. "Und Seppe war unsere Eintrittskarte für all diese schönen Erlebnisse", fügt ihr Mann hinzu.

Auch für Giuseppe Riotto war die Reise mit seinen Freunden ein besonderes Ereignis. "Sowas Schönes erlebt man nur einmal", sagt er. "Ich habe seitdem auch niemand anders mehr mitgenommen."

 

Aus den Wolfsburger Nachrichten: 28. Februar 2012, Wolfsburg Lokales, Seite 11, Fotos: regios24/Sebastian Priebe, privat