Schüleraustauschprogramme sind beliebt. Aber nicht viele zieht es dabei bis fast an den nördlichen Polarkreis - Ihno Schrot aus Wasbüttel ist eine Ausnahme.
Minus 38 Grad Celsius. Auch das kommt in Finnland mal vor. Als der 17-Jährige seine zehn Monate in der Stadt Rauma an der Südwestküste des Landes verbrachte, gab es einen besonders harten Winter. "Das ist einfach eine Frage der Kleidung", meint der Wasbütteler. Nur vor Erfrierungen der Wangen müsse man sich in Acht nehmen. Beim Wandern lasse es sich aushalten. Aber Eisangeln bei dieser Temperatur - da hätten selbst die Finnen kapituliert. Keiner wollte festfrieren.

Warum dann gerade Finnland? Ihno wollte nicht in die USA, wie so viele parallel zu und vor seiner Reise. "Amerikanische Kultur haben wir doch schon genug." Sein Vater sei durch die Arbeit schon einmal in Europas Norden gewesen, hatte Fotos gezeigt. Das hatte den Schüler des Otto-Hahn-Gymnasiums in Gifhorn auf die Idee gebracht. Ziel war die Stadt Rauma. Mit 40000 Einwohnern kleiner als Gifhorn, aber laut Ihno sei das in Finnland schon bedeutend. Rauma sei sogar in manchen Atlanten verzeichnet.

"Und ich fand die Sprache cool." Die hat es aber in sich. Mit den in Europa verbreiteten romanischen Sprachen hat sie nicht viel gemein, ist dafür mit dem Ungarischen und Estnischen verwandt. "Am Anfang habe ich geflucht. Ich dachte, ich lerne das nie."

In Mathe verstand er leider nur Bahnhof statt Logarithmen und Ableitungen, der Lehrer konnte auch kein Englisch - so wie seine Gasteltern - "das war ziemlich lustig." Der Wasbütteler besuchte in Finnland das Lukio, was der deutschen Oberstufe von 10 bis 12 entspreche. Zweite sprachliche Hürde: der Gastvater: "Er hat eine etwas raue Stimme. Ich dachte, er schimpft häufig mit mir. Als ich Finnisch verstand, merkte ich, dass er nur lauter Witze erzählt."

Zum Glück gab es in der Kleinstadt aber auch einen Finnisch-Kursus für Ausländer. So konnte Ihno zum Schluss seines Aufenthalts sogar den Ausführungen in Psychologie folgen. Aber kuriose sprachliche Begebenheiten blieben: Einmal habe der Schüler aus Deutschland per SMS einen Freund fragen wollen, wann sie sich treffen. Er vergaß einen Buchstaben, und es klang dummerweise nach dem Zeitpunkt "zum Töten".

Apropos Freunde: Die seien schwer zu bekommen, die Finnen eher nicht kontaktfreudig und wenig redselig. Aber: "Hat man erst einmal Freunde, dann sind es gute Freunde und halten zu einem."

Mit denen hätte der Wasbütteler - wie sollte es in Finnland anders sein? - prima Eishockey spielen können. "Aber ich kann gar kein Schlittschuh laufen." Deshalb war Ihnos Sport eher Uni-Hockey, die Variante ohne Eis. Fußball ist dort weniger beliebt.

Kürzlich ist Ihno noch einmal nach Rauma geflogen. Um den Zweitsprachennachweis abzulegen, das ist nur in Finnland erlaubt. "Ich habe mit der drittbesten Note bestanden", freut er sich. Nach seinem Abi in zwei Jahren könnte er also auch in Finnland studieren. Er könnte auch in Deutschland einen Anfängerkursus geben. "Vielleicht brauche ich es ja mal." Nutzlos sei das Lernen der Sprache jedenfalls nicht. Er würde jederzeit wieder nach Finnland gehen. Aber dann wünscht er es sich bestimmt etwas "lämpimämpi". Heißt: wärmer.

 

 

Aus der Gifhorner Rundschau, Wolfsburg: 10. November 2011, Gifhorn Lokales, Seite G05, Fotos: privat