Meister Adebar, der Storch, hat ausgeschlafen. Er richtet sich auf, wirft den Nachttau von den Federn und ordnet mit dem Schnabel sein Gefieder.

Noch ist es halbe Nacht, der Nebel liegt noch in den Maschwiesen am östlichen Ortsausgang auf der linken Seite der alten Straße nach Calberlah. Auf dem Windbrette des alten Kuhstalls von Mascher Fricke sitzt das Käuzchen und macht Knickse und in der Ecke am Hühnerstall murkst der Igel umher und vertilgt einen dicken Regenwurm, bevor der tagesscheue Geselle sich zur Tagesruhe begibt. Aber jetzt wird es Tag. Eine Krähe quarrt vorbei und die Elster schielt aus der großen alten Eiche heraus. Die Amsel sitzt auf der hohen Warte und singt ihr schönstes Morgenlied. Der Buchfink schlägt und die Spatzen werden munter und fangen lauthals an zu schilpen. Da erhebt der Storch sein Gefieder und fliegt über die Maschwiesen zu Hoffmanns Maisacker und wieder zurück über die Wiese. Da wo sich die Hehlenriede durch den Erlenbruch quält und wo früher die alte Wassermühle stand, direkt an Krügers Garten braust der Storch hernieder. Es ist ein Morgen ganz in seinem Sinne: Das Gras ist nass vom Tau, aber nicht so sehr, dass es eiskalt wäre. Die Luft ist mild und weich, kein Lüftchen rührt sich.

 

So, liebe Leser, beschreibt Hermann Löns, einer unserer bekanntesten Heimatgeschichtenerzähler seinen „Morgenspaziergang“.

Frau Storch - oder Herr Storch, man weiß es nicht so genau – sitzt noch fest auf den Eiern. In einigen Tagen müssten die jungen Störche das Licht der Welt erblicken und somit auch die Maschwiesen in ihrer ganzen Schönheit der Morgensonne.
Etwa 150 Meter westlich des Nestes liegt das Dorf. Die Anwohner an der Masch liegen noch in tiefem Schlaf. Nur einer möchte das Schauspiel der Morgensonne nicht verpassen: Es ist mein alter Schulfreund „Mascher“ Fricke. „Mascher“ deshalb, weil er auf der Masch wohnt. Er schleicht in seinen langen Gummistiefeln durchs Unterholz, dort wo früher die alte Wassermühle stand, und schreckt den alten Eichelhäher und die Elster auf, die mit lautem Gezeter um ihn herum schwirren. Er genießt diese morgendlichen Gänge an der alten Hehlenriede entlang Richtung Elbe-Seitenkanal und dem vor 4 Jahren von Ihm aufgebauten Storchennest.

Schon seit dem 25. April ist er ganz aufgeregt. An diesem Tage, um Ostern herum, bemerkten wir auf dem frisch umgepflügten Acker von Bauer Hoffmann entlang des Elbe-Seitenkanals sieben Störche auf Nahrungssuche. Dieses Schauspiel beobachteten wir nun den ganzen Tag über. Zwei der sieben Störche wiesen am rechten Fußgelenk eine Beringung auf. Am Nachmittag des 25. April riefen wir den „Storchenvater“ für den Landkreis Gifhorn und Celle an. Es dauerte nur wenige Minuten, da war Herr Behrmann in seiner Funktion als Storchenbeauftragter vor Ort. Er stellte fest, dass einer der Störche von der Vogelwarte Hiddensee beringt worden war. Die Kennziffer des anderen Storches war leider durch Verkotung nicht zu erkennen.

Ab diesem Tag war Mascher voller Hoffnung, dass das von ihm aufgebaute Nest doch noch von einem Storchenpaar angenommen wird. In den vergangenen Jahren war leider immer wieder ein Pärchen Nilgänse den Störchen zuvor gekommen.


 

Im Jahr 2009 wurden sieben junge Nilgänse von ihren Eltern ausgebrütet. In abenteuerlicher Weise konnten wir damals die gerade geschlüpften Nilgänse fotografieren.

Nun aber wieder zurück zu unserem Storchenpaar. In den folgenden Tagen waren wir täglich mehrere Stunden lang damit beschäftigt, das Treiben der Störche genauestens zu beobachten und zu protokollieren. Mascher war voller Freude, als wir bemerkten, dass zwei der dort nach Futter suchenden Störche das von ihm aufgestellte Nest annahmen. Vom 26. April bis zu 29, April konnten wir feststellen, dass mit dem Nestbau begonnen wurde. Eifrig schleppten beide Störche grobes und feines Nistmaterial auf das ca. 12 Meter hohe Nistgestell. Ab dem 1. Mai sitzt nun immer einer der beiden Störche auf dem Nest, um das Brutgeschäft durchzuführen. Da bei Störchen der Unterschied zwischen Weibchen und Männchen nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist und auch beide Altvögel das Ausbrüten der Eier im Wechsel betreiben, ist es nicht möglich, Frau Storch von Herrn Storch zu unterscheiden.

Wenn dann nun unser Wunsch - und ich glaube auch der Wunsch vieler Wasbütteler Bürger, allen voran die Anlieger der Maschstraße sowie des Gänsegrundes - in Erfüllung geht, müssten so um den 1. bis 4. Juni die jungen Störche schlüpfe. Doch bis dahin, denke ich, wird mein alter Schulfreund Mascher weiter jeden Morgen durch die sonnendurchflutete Erlenstände an den Maschwiesen nach dem Rechten sehen. Und ich weiß aus eigener Erfahrung, das dieses die schönsten Augenblicke eines schönen sonnigen Tages sind.

Zum Bau dieses künstlichen Nestes wäre noch zu schreiben, dass Heinz Schemmel aus Allerbüttel – Gründer der „Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Barnbruch“ - mit seiner Mannschaft dieses Nest aus einem ca. 15 Meter langen Telegrafenmast gebaut hat. Auf Initiative von Karl-Heinz Fricke („Mascher“) aus Wasbüttel wurde dann das Nest am 9. Februar 2007 auf der Maschwiese unter Mitwirkung vieler Wasbütteler, Calberlaher und Allerbütteler Storchenfreunde aufgestellt.

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Und wer weiss, vielleicht können wir ja nach dem Beringen der Jungstörche durch den Storchenbeauftragten Herrn Behrmann auf der Masch an der Calberlaher Straße ein zünftiges Storchennest feiern.

Sie, liebe Leser der Wasbütteler Homepage, werden es erfahren.

Mit freundlichem Storchengruß - klapper, klapper, klapper

Klaus-Dieter Brandt

 

Fotos: Klaus-Dieter Brandt, Franz Vorderwülbecke und Manfred Altenkirch

 


 Presseartikel vom 9.2.2007

Wasbüttel braucht brütendes Storchenpaar

Gleich vier Störche tummelten sich 2006 auf einer Wiese am Ortsausgang in Richtung Calberlah. Deshalb haben Franz Vorderwülbecke und einige Mitstreiter dort jetzt eine Nisthilfe für die Störche aufgestellt. Das Gebiet sei gut geeignet für Störche sagen sie.

Rund elf Meter ragt der alte Strommast in die Höhe. Zwei Meter steckt er im Boden. Mit einem Minibagger, gefahren vom zehnjährigen Henrik Alpers hatten die Vögelschützer das Loch auf der Wiese ausgehoben.

Das Aufstellen der Masten sei relativ leicht, ob die Störche es allerdings annehmen, reine Glückssache, sagt Heinz Schemmel. Er hat das Wasbütteler Storchennest gebaut: Ein Unterbau aus solidem Eisen, vollendet mit Eichenholz. 40 Jahre soll die Konstruktion halten. In dieser Zeit werden die Störche das Nest immer weiter ausbauen. So weit, dass viele Storchennester nach ein paar Jahren vom Menschen wieder verkleinert werden müssen.Am Bau von rund 220 solcher Nester hat Schemmel schon mitgewirkt.
Die meisten davon wurden zwar gut angenommen, den Störchen gehe aber dennoch die Lebensgrundlage verloren, so das Gründungsmitglied des Nabu. Zu viele Wiesen seien trockengelegt, den Störchen fehlten große Flächen.

Selbst die jetzt mit einem Nest versehene Wasbütteler Wiese sei  nicht ideal. Zwar gebe es in der Nähe ein Feuchtbiotop, doch sei auch die gesamte Wiese aufgeschüttet und drainiert worden. Jetzt bleibt den Vogelschützern also nur noch zu hoffen, dass die Tiere das Angebot annehmen. In Wasbüttel habe es noch nie ein brütendes Storchenpaar gegeben, begründet Franz Vorderwülbecke das Engagement.

Aus der Allerzeitung vom 9.2.2007, Foto: Stieler